Kleine Helden – Welt-Frühgeborenen-Tag

Wenn ihr meinen Blog schon etwas länger lest, dann wisst ihr es wahrscheinlich. Unsere Zwillinge kamen ein paar Wochen zu früh auf die Welt. Sie sind gesund und munter und deshalb ist das normalerweise kein großes Ding und ich mache das normalerweise auch nicht groß zum Thema (glaub ich zumindest). Heute jedoch ist ein besonderer Tag. Denn heute ist der Welt-Frühgeborenen-Tag. Das Ziel des Welt-Frühgeborenen-Tages ist es den kleinen Kämpfern und ihren Familien eine Stimme zu geben und auf die besonderen Bedürfnisse dieser Kinder und ihren Familien aufmerksam zu machen. Jedes Jahr werden 15 Millionen Säuglinge zu früh geboren. In Deutschland sind es etwa 60.000 Kinder. Das entspricht 1 von 10 Babys. Damit sind Frühgeborene die größte Kinderpatientengruppe Deutschlands. Dennoch werden Probleme und Risiken für die weitere Entwicklung dieser Kinder nicht in entsprechendem Maß wahrgenommen.

Weitere Infos zum Thema Frühgeburt bzw. Welt-Frühgeborenen-Tag gibt es beim Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e.V. bzw. bei efcni (european foundation for the care of newborn infants) oder auch bei Facebook.

 

Als die beiden Mini-Ganoven geboren wurden, habe ich im Internet nach positiven Frühchengeschichten bzw. Erfahrungen gesucht. Hier ist unsere (positive) kleine Geschichte. Hauptsächlich für andere Frühcheneltern zum Mut machen, Hoffnung schenken, um mit und für die Kinder stark zu sein… Aber auch für alle anderen wenn es sie interessiert.

Unsere zwei Ganoven wurden am 25. September 2012 in der 30. Schwangerschaftswoche mit 1.350g/41cm (Basti) und 950g/38cm (Alex) auf die Welt geholt. Das erste Mal sehen und ihre kleinen Fingerchen streicheln durfte/konnte ich die zwei etwa 6 Stunden nach der Geburt. Das erste Mal känguruhen (also ihn auf mir drauf liegen haben, mit ihm „kuscheln“) durfte ich mit Alex – noch intubiert – an seinem dritten Lebenstag, mit Basti – schon am CPAP – an seinem vierten Lebenstag. Am 11. Tag bekam Basti seine erste Flasche statt Mahlzeit durch die Magensonde. Am 12. Tag kam bei Basti die CPAP-Maske weg. Alex tat sich noch etwas schwerer, aber auch bei ihm wurden die CPAP-Pausen mehr und länger. Am 13. Tag durfte die große Schwester Sara die beiden das erste Mal sehen. Sie wollte die Inkus „aufmachen“ und hat ihnen beim Gehen Handküsschen zugeworfen. Am 15. Tag hat man bei Basti eine Hirnblutung 1. Grades festgestellt. Alex war ab da auch CPAP-frei. Der 17. Tag war ein „großer Tag“: die beiden sind ins nächste Zimmer umgezogen. Ein Zimmer weiter bedeutet in unserem Krankenhaus ein Zimmer näher am Entlasstermin. Die Mini-Ganoven waren nun weg vom Intensivzimmer und „nur“ noch in einem Zimmer mit erhöhtem Beobachtungsbedarf. Zudem war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn Alex hatte so gekackt, dass sein Bett gemacht werden musste. Die Schwester war aber wohl allein oder ihre Kollegin hatte keine Zeit. Somit durfte ich Alex während des Bettchen machens „ganz normal“ (beim känguruhen werden einem die Kinder ja „nur“ auf den Bauch gelegt) im Arm halten. Er war so zart dass man kaum merkte überhaupt was auf dem Arm zu haben. Am 19. Tag konnte Sara das zweite Mal zu ihren Brüdern. Sie hat bemerkt, dass „Alex müde“ war und „Basti kleine Hände“ hatte. Am 20. Tag kam Basti ins Wärmebettchen. Nachmittags gab es erste Stillversuche und ich hab ihn das erste Mal wickeln und „ganz normal“ auf den Arm nehmen dürfen. Am 22. Tag war für Sara ein großer Tag – der erste Kita-Tag. Alex hat ab nun auch einen Body anbekommen (im Inku sind die Babys bis auf Windel nackig), und ich durfte das erste Mal synchron-kuscheln, also mit beiden zusammen känguruhen. Am 25. Tag wog Basti 1.950g und Alex 1.380g. Am 26. Tag konnte ich mit Alex im Arm dasitzen und kuscheln und zwar nicht känguruhen sondern angezogen, ihn im Handtuch eingewickelt im Arm halten. Am 29. Tag war der nächste Umzug ein Zimmer weiter. Zudem hat sich Basti die Magensonde gezogen und da er so schön selbst trank, hat die Schwester beschlossen, dass sie nun ganz draußen bleibt. Er war inzwischen bei 6 mal täglich 50ml. Am 30. Tag habe ich unsere eigene Kleidung (in Gr. 44) mitgebracht, demnach war es vorbei mit dem Krankenhaus-Style. Am 33. Tag konnte Alex ins Wärmebettchen wechseln. Leider noch nicht zu Basti, da Alex eine höhere Temperatur brauchte als Basti. 35. Tag – Zimmerwechsel, nun lagen sie ganz hinten. Jippieh! Am 36. Tag ist Basti ins Gitterbettchen gewechselt und seit Tag 38 sind die beiden wieder zusammen gewesen. Sie kamen zusammen in ein Wärmebettchen. An Tag 40 kam die Magensonde bei Alex weg. Erste Spazierfahrt mit dem Krankenhauskinderwagen über den Stationsflur mit Basti an Tag 42. Einen Tag später sind beide zusammen in ein Gitterbettchen gekommen. An Tag 44 haben die Ärzte das erste Mal von heimgehen gesprochen. Ich hätte heulen können. An Tag 46 durfte ich Alex und einen Tag später Basti das erste Mal baden. An Tag 51 – dem 14. November 2012 – war es soweit, wir konnten die beiden Autositze mit ins Krankenhaus bringen und mit zwei kleinen Mini-Ganoven gefüllt wieder nach Hause nehmen.

Seit dem Tag hat also unser wirklicher Alltag begonnen. Bis ungefähr zu ihrem ersten Geburtstag hatten wir noch sozusagen ein Abo bei der Kinderärztin. Dort war ich mit den beiden etwa einmal wöchentlich – meist wegen Bronchitis. Und auch das Krankenhaus haben wir noch 2-3 mal von innen sehen dürfen. Das vergangene Jahr war aber – was Krankheiten angeht – schon etwas ruhiger. Den beiden geht es gut. Sie wachsen, sie nehmen gut zu, sie laufen, sie klettern, sie fahren mit dem Laufrad, sie fangen gerade an zu sprechen, sie gehen nun in die Kita und haben einen Riesenspaß dort, sie lieben Autos, sie… sind ganz normale, altersgemäß entwickelte Jungs. Nur halt mit einem etwas holprigeren Start ins Leben.

An diesen holprigen Start müssen wir auch jetzt noch oft denken. Wirklich unbekümmert kann ich den Weg zum Krankenhaus z.B. nicht fahren. Über viele Dinge haben wir bei Sara gar nicht nachgedacht. Zum Beispiel habe ich mich bei Sara unendlich geärgert, dass sie mir nicht sofort nach der Geburt auf den Bauch gelegt worden ist. Damals sagte ich mir, dass mir sowas bei einem zweiten Kind nicht nochmal passiert. Bei Sara waren es etwa 15 Minuten, die ich von ihr getrennt war, bei den Zwillingen waren es Stunden, bis wir sie mal richtig halten/rumtragen/kuscheln konnten sogar Tage bzw Wochen. Sara war vom ersten Tag, von der ersten Nacht an bei mir im Zimmer, bei mir/uns in der Nähe, die Zwillinge mussten sogar wochenlang „allein“ im Krankenhaus bleiben. Manche Dinge lernt man eben erst richtig schätzen wenn man weiß wie es ist wenn es diese Momente nicht gibt…

Als Abschluß möchte ich nicht vergessen zu sagen, dass wir uns im Klaren darüber sind wer großen Anteil daran hat, dass wir hier zuhause nicht nur ein, sondern drei gesunde Kinder rumspringen haben, worüber wir unendlich dankbar sind! Liebes Team der PG20 im Krankenhaus Friedrichshafen. Danke für die kompetente Betreuung, die Wärme, das Verständnis, die viele Zeit, die aufbauenden und erklärenden Worte und das „einfach nur“ Dasein für Sebastian & Alexander aber auch für uns! Lieber Dr. Radlow vielen Dank für die Ruhe, die sie jederzeit ausgestrahlt haben – egal wie hektisch es auf der Station zuging. Lieber Dr. Kallsen vielen Dank für die viele Zeit, die Sie sich für Erklärungen zu all unseren Fragen genommen haben. Liebe Schwestern Anja, Beate, Carolin, Elke, Franziska, Friederike, Gabriela, Inez, Jutta, Melanie, Melanie II, Sibylle, Simone und Simone II vielen Dank für einfach alles was Sie getan haben – wickeln, füttern, waschen, baden, kämmen, reden, kuscheln, beruhigen, absaugen, Schmerzen lindern, Betten machen, Kabel dran und wieder wegmachen… Es ist unglaublich was Sie täglich leisten und wir haben großen Respekt vor Ihrer Leistung!

5 Comments on Kleine Helden – Welt-Frühgeborenen-Tag

  1. Martina
    17. November 2014 at 9:19 AM (9 Jahren ago)

    Da hatten eure Zwillis ja einen ordentlich holprigen Start ins Leben!!!! Es freut mich, dass es den beiden jetzt so gut geht und sie ein „normales“ Leben leben können – wie viele Frühchen können das nicht……

    vlg Martina

    Antworten
  2. Nika
    17. November 2014 at 11:47 AM (9 Jahren ago)

    Liebe Heike,

    vielen Dank für diesen tollen Bericht. Ich wusste gar nicht, dass heut Welt-Frühgeborenen-Tag ist, obwohl ich selbst zwei Frühchen zuhause habe (allerdings nicht so extrem wie bei dir).
    Schön, dass du so offen erzählst, ich hoffe, dass du damit einigen Eltern ein wenig die Angst nehmen kannst.

    Viele Grüße
    Nika

    Antworten
  3. Brigitte Keiling
    17. November 2014 at 11:55 AM (9 Jahren ago)

    Liebe Heike,
    Deine, nein, Eure Geschichte rührt mich zu Tränen!
    Ich freue mich jedes Mal wieder so sehr, wenn ich solche Geschichten mit glücklichem Ausgang höre oder lese, auch wenn es für die Betroffenen in dieser Zeit so wahnsinnig schwer ist!! Ich schicke Euch herzliche Grüße aus der Ferne!
    Alles Liebe
    Brigitte

    Antworten
  4. Papers & Stamps
    17. November 2014 at 8:11 PM (9 Jahren ago)

    Liebe Heike,
    auch wenn ich selbst keine Kinder habe, rühren mich die Geschichten von Frühchen immer zu Tränen. Umso mehr freut es mich für Euch, dass die Geschichte der Mini-Ganoven eine gute Wendung genommen hat. Sei ganz lieb gegrüßt
    Mandy

    Antworten
  5. Nicole
    17. November 2016 at 8:11 AM (7 Jahren ago)

    Danke für den Bericht. Meine Tochter kam 7 Wochen zu früh, wog 2 kg. Sie konnte nach 15 Tagen die Klinik verlassen. Jetzt kümmern wir uns drum, dass sie ab der 5. Klasse im Gymnasium lernen kann. Ich merke, dass ich unglaublich gesegnet bin. Liebe Grüße aus Berlin.

    Antworten

Leave a Reply

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.